Fallis (2009): What is lying?

Fallis, Don: „What is lying?“ In: „The Journal of Philosophy 106.1“ (2009), S. 29-56.
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Introduction: Die typische Frage, die über das Lügen gestellt wird, ist, ob jemand lügt. Philosophische Fragen zum Thema Lügen beschäftigen sich oftmals mit der Moral des Lügens, so argumentiert Kant, es sei immer falsch zu lügen, Bok, die Aussage, wir lügen öfter als wir denken, sei falsch, da der persönliche und soziale Aufwand oft größer ist als wir meinen. Auch Epistemologen interessieren sich für das Phänomen Lügen. Um jedoch über Fragen des Lügens zu sprechen, muss, das ist das Ziel von Fallis, Lügen definiert werden.

Conceptual Analysis: In Anlehnung an Platon und als wichtiger Teil philosophischen Vorgehens geht Fallis nach konzeptueller Methode vor.

My Definition of Lying: Gelogen wird, wenn etwas behauptet (assert) wird, das für falsch gehalten wird. Etwas behaupten bedeutet (a) etwas zu sagen und (b) sich vermeintlich in einer Situation zu befinden, in der es unangebracht ist, falsche Dinge zu sagen (vgl. Grice, erste Konversationsmaxime: Sage nichts, was du für falsch hältst). Fallis’ Definition von Lügen ist also: 1. „You state that p to X.“ 2. „You believe that you make this statement in a context where the following norm of conversation is in effect: Do not make statements that you believe to be false.“ 3. „You believe that p is false.“ (S. 6f.)

Norms of Conversation: Der Begriff der Konversationsnormen, die die Kommunikation in normalen Gesprächen begünstigen sollen, stammt von Paul Grice. Im Normalfall wird erwartet, dass diese Normen eingehalten werden und normalerweise wird das auch getan, allerdings gelten einige Verstöße in bestimmten Situationen als entschuldbar. In Bezug zu seiner assertion condition merkt Fallis an: (1) Versucht wird, die normative Komponente von assertion zu erfassen, die wichtig für das Phänomen Lügen ist; (2) „the assertion condition is not that you believe that you are in a situation where, all things considered, you should not say things that you believe to be false“ (S. 8); (3) „the assertion condition is not simply that you believe that you are in a situation where a norm is in effect that you should not say things that you believe to be false“ (S. 9).

Points of General Agreement: Common Sense in der Forschung ist, (1) dass zunächst eine Aussage (mündlich, schriftlich oder sogar durch Nicken) gemacht werden muss, damit gelogen werden kann, und dass dafür eine Sprache notwendig ist, und (2) dass, selbst wenn sie wahr ist, die Aussage für falsch gehalten werden muss, damit von Lügen gesprochen werden kann.

Intention to Deceive: Eine für falsch gehaltene Aussage zu machen reicht nicht aus, um von Lügen sprechen zu können. Eine für Fallis zu weitgefasste philosophische Definition argumentiert für diesen Fall, dass eine intention to deceive someone vorhanden sein muss. Zu eng gefasst wird diese Definition, wenn hinzugefügt wird, dass eine Person direkt adressiert wird. Nach Fallis, sowie einigen anderen Philosophen, erfordert Lügen nicht zwingend die intention to deceive, wenn sie auch häufig vorliegt.

Asserting: Mit Fallis stimmen einige andere Philosophen (u.a. Chisholm & Feehan, Adler, Watson, Sorensen) überein, dass Lügen bedeutet, etwas auszusagen (assert), was für falsch gehalten wird. Asserting hat dabei eine normative Komponente. Einige Philosophen spezifizieren den normativen Charakter des asserting. 7.1 Chisholm and Feehan on Asserting: Zu eng definieren Chisholm und Feehan Lügen, denn mit ihrer Definition wird nur gelogen, wenn ein Erfolg beim Täuschen (deceiving) erwartet wird. 7.2 Carson on Warranting the Truth: Zu weitgefasst definiert Carson Lügen, denn dieser Definition zufolge wird gelogen, wenn die Wahrheit einer für falsch gehaltenen Aussage zugesichert wird. Mit seiner zusätzlichen Bedingung, jemand „believes that he is not warranting the trutz of his statement“ (S. 24), jedoch wird seine Definition zu enggefasst. 7.3 Believing that One is Warranting the Truth: Es kann gelogen werden, selbst wenn ausdrücklich gesagt wird, dass der Wahrheitsgehalt einer Aussage nicht gewährleistet werden kann.

Some Virtues of My Definition: Zu den Stärken von Fallis’ Definition gehört, dass die Konversationsmaxine der Qualität nach Grice einbezogen wird und dass eine unkomplizierte Analyse von Augustins Beispiel einer altruistic lie ermöglicht wird.

Some Objections to My Definition: Nicht einbezogen wird bei Fallis ein good excuse zum Lügen sowie nicht physisch markierter Sarkasmus durch beispielsweise Zwinkern.

Deceptive Lying: Auch wenn die Intention zum Täuschen keine notwendige Voraussetzung für das Lügen ist, ist es doch das Hauptinteresse vieler philosophischer Betrachtungen: Für Kant ist in moralischer Hinsicht Lügen grundsätzlich und unter allen Umständen falsch, Epistemologen befassen sich mit „deceptive testimony that can interfere with people’s ability to acquire knowledge“ (S. 33). Wegen des Interesses der Philosophie für die Intention zum Täuschen und wegen der Zielsetzung, eine Definition für philosophical use zu formulieren, bezieht Fallis diese Intention ein.

Conclusion: Fallis zufolge lautet die korrekte Definition von Lügen: „lying is that (a) you say something that you believe to be false and (b) you believe that you are in a situation where the following norm of conversation is in effect: ‘Do not say what you believe to be false.’ […] So for most philosophical purposes, I propose a definition of deceptive lying which simply adds an ‘intent to deceive’ condition to my definition of lying“ (S. 35).


In seinem paper wählt Fallis eine neue Herangehensweise an eine Definition, indem er offen die Stärken und Schwächen seiner Definition darlegt. Dieses Vorgehen schafft Anreize und regt neue Ideen und Definitionen an. Indem sich Fallis auf die Konversationsmaxime der Qualität von Grice bezieht, gelingt es ihm außerdem, Sprechsituationen im Theater einzubeziehen und dort Behauptetes nicht als Lüge definieren zu müssen.