Sophie Passmann: „Pick me Girls“ (2023)

Memoir, 2023 veröffentlicht und bei Kiepenheuer&Witsch erschienen, 224 Seiten. ISBN: 978-3-462-00420-5.
Sophie Passmann: „Pick me Girls“ (2023) | Prosa & Papier

Auf der Website von Kiepenheuer & Witsch, dem Verlag, in dem Sophie Passmanns neuestes Buch Pick me girls erschien, heißt es, dieses sei ihr persönlichstes Buch. Doch worum geht es eigentlich? Nun, das ist eine gute Frage. „Ich schreibe dieses Buch jetzt, weil ich glaube, dass ich jungen Frauen mit ein paar Dingen in diesem Buch das Leben leichter machen kann. Das hier ist kein Teenager-Selbsthilfebuch. Es ist auch kein feministisches Kampfwerk und erst recht, um Gottes willen, keine Autobiografie. Das ist das Buch, das ich mit 14 Jahren gebraucht hätte“, heißt es in der Einleitung.

Es liest sich wie eine Zusammenstellung persönlicher Erfahrungen und Meinungen – auch wenn das Buch keine Biografie sein soll, obwohl es starke autobiografische Züge hat –, wobei es viel um ihre Jugend und Erfahrungen mit Männern und Sexismus geht. Manchmal wird von sogenannten pick me girls geschrieben, oftmals eben auch nicht. Ein roter Faden und eine klare Argumentation waren für mich beim Lesen schwer erkennbar. Passmann stellt Behauptungen auf, die wie Fakten klingen, jedoch nicht fundiert sind, indem sie sich auf Studien, Erhebungen, Literatur o. Ä. beziehen. Sie spricht manchmal in Ich-Form, manchmal allgemeingültig in Form von „man“ („man muss“).

Auf der Verlagswebseite heißt es außerdem: „‚Ich bin nicht so wie andere Frauen‘ ist der typische Satz eines pick me girls.“

A pick-me girl is a girl who seeks male validation by indirectly or directly insinuating that she is “not like the other girls.”

https://www.urbandictionary.com/define.php?term=Pick-me%20girl

Passmann kritisiert etwa, dass Kendall Jenner völlig willkürlich als pick me girl bezeichnet wird. Sie sagt, Jenner würde so genannt, weil sie auf Sport steht – doch ist das nicht der Grund (s. bspw. diesen Buzzfeed-Artikel). Die Herausforderung für mich war beim Lesen aber vor allem, dass mir nicht so ganz klar ist, was für Passmann eigentlich ein pick me girl ist. An einer Stelle erzählt sie, wie sie früher selbstverständlich ihre eigenen Möbel aufgebaut hat und später zum pick me girl wurde, weil sie sich auf die Hilfe von Männern beim Möbelaufbau verlassen hat. Ein pick me girl sei eine Frau, die keine Möbel aufbaut. Sie unterscheidet cool girl und pick me girl voneinander, und ihrer Meinung nach würde willkürlich entschieden werden, was ein cool girl und was ein pick me girl ist, wie an der Jenner-Diskussion klar würde. Abgesehen von dem Jenner-Beispiel kann sie dies jedoch nicht begründen.

Schwierig fand ich zu Beginn die popkulturellen Bezüge zu den Serien Girls und Fleabag, da ich beide Serien nicht gesehen habe. Apropos Serien: Passmann behauptet, man würde in Serien und Filmen keine „normalen“ Körper sehen, und macht klar, dass sie gerne langweilige „normale“ Frauen in Serien sehen möchte. Später sagt sie: „Viele Frauen geben sich keine besonders große Mühe dabei, ein spannendes Leben zu führen“ und dass keine Frau auch nur ansatzweise so spannend sei wie ein Mann. Was soll es denn für Passmann sein, langweilige Leben oder spannende? Sollen sich Frauen „im echten Leben“ Hobbys suchen und Mühe damit geben, ein spannendes Leben zu führen, in Serien aber langweilige Leben von Frauen gezeigt werden?

Passmann spricht über „Klischeefrauen“, ohne zu erklären, was sie damit meint, über das Frausein, ohne zu erklären, was sie damit meint, über das Bild der „nagging girlfriend“, ohne zu erklären, was sie damit meint, und spricht nicht selten im Namen aller Frauen („keine erwachsene Frau möchte […]“). Sie teilt Frauen ein in Kategorien, sie können nur entweder „sehr schön“ oder „witzig“ sein. Ob dies ihre persönliche Ansicht ist oder ihrer Meinung nach eine gesellschaftliche Einteilung, bleibt unklar.

Es ist ein spezieller Schmerz, der sich einstellt, wenn man merkt, dass man für die Männer um einen herum nicht einmal wertvoll genug ist für Abwertung.

Sophie Passmann: „Pick me Girls“ (2023)

Allerspätestens hier habe ich innerlich abgeschaltet. Passmann berichtet, dass es ein Ranking zwischen ihr und ihren Freundinnen gegeben habe, und berichtet mehr als einmal, ihr sei aufgefallen, im Studium weniger sexuell belästigt worden zu sein als ihre Freundinnen. Das habe ihr Schmerz bereitet. Dafür habe ich einfach keine Worte.

Ich wollte den Großteil meines Lebens anders sein als andere Frauen. Ich hielt es für den einzigen Ausweg aus meiner mir sehr offensichtlich erscheinenden Misere, dass ich nicht schön, nicht charmant, nicht weiblich genug war, um eine von diesen Frauen zu sein, die männliche Anerkennung nur durch Repräsentation ihres Geschlechts erhalten könnte. […] Ich habe mich jedoch nie wirklich bewusst entschieden, anders sein zu wollen als andere Frauen. Die Welt hatte mich nur sehr schnell davon überzeugt, dass ich das, was bei anderen Frauen ausreichend vorhanden war, nicht zu bieten hatte und ich der Welt, die Frauen ja immer irgendeine Gegenleistung für ihre Existenz abverlangte, halt etwas anderes bieten müsste.

Sophie Passmann: „Pick me Girls“ (2023)

Die Frage, die ich mir am Ende des Buchs vor allem gestellt habe, war: Mag sie Frauen überhaupt?

Die Leseprobe

gibt es hier: 🔗 Leseprobe Pick me Girls

Die Autorin

Sophie Passmann ist 1994 in Kempen geboren und heute Autorin, Schauspielerin und Hörfunkmoderatorin. Mit 15 Jahren trat sie das erste Mal bei einem Poetry Slam auf und machte nach dem Abitur ein Volontariat bei einem Radiosender. Im Anschluss studierte sie Politikwissenschaft und Philosophie in Freiburg. Daneben war sie weiterhin beim Radio tätig und schrieb, unter anderem für die Zeitschrift Jolie. Ihr erstes Buch, Alte weiße Männer, erschien 2019. Passmann ist aktiv auf Social Media. Im Jahr 2022 ist sie für folgende Aussage kritisiert worden: „Wenn Redaktionen im Namen des Antirassismus eine Schwarze Frau zum vermeintlichen Sprachrohr von rassistischen Erfahrungen in Deutschland machen, führt das dazu, dass wieder nur ein Standard reproduziert wird. Wer spricht am lautesten, am funkiesten in ein Interview-Mikrofon hinein? Ohne dabei irgendetwas gegen Rassismus getan zu haben.“ Bloggerin Cassie nannte Passmann etwa eine „privilegierte weiße Pick-Me-Feministin“.