Katharina Kramer: „Die Sprache des Lichts“ (2021)

Roman, 2021 bei Droemer Knaur erschienen, 489 Seiten. ISBN: 978-3-426-28241-0.
Die Sprache des Lichts | Prosa & Papier

Bei dem Buch handelt es sich um ein Rezensionsexemplar. Ich bedanke mich herzlich bei Katharina Kramer und dem Droemer Verlag für die Zusendung!


Das 16. Jahrhundert war eine Zeit des Aufbruchs, geprägt von historischen und sozialen Veränderungen, Erfindungen und Entdeckungen. An den Universitäten wurden neue Inhalte gelehrt und ein neues Geschichtsbewusstsein kam auf. Zu Beginn des Jahrhunderts begannen zudem die religiösen Bewegungen der Reformation, deren Voraussetzungen im Humanismus, Buchdruck und anderen Faktoren geschaffen wurden. Während sich Nationalstaaten zu bilden begannen und Volkssprachen an Bedeutung gewannen, war Latein noch immer die lingua franca.

In diesem Zeitalter spielt Die Sprache des Lichts. Es ist das Jahr 1582. Jacob Greve ist Lehrer für Latein, Griechisch und Hebräisch an einer protestantischen Landesschule für begabte Jungen aller Stände im sächsischen Naumburg. Er liebt Sprachen – und ist Synästhetiker:

Das Spanische sah aus wie grüne Wellen, das Lateinische schillerte rot wie Wein, das Walisische ergab gelbe wässrige Punkte. Der schönste Moment war immer der, wenn er zwischen den Sprachen hin und her wechselte: ein leichtes Schweben.

S. 23

Sprachfehler nimmt er körperlich als Schmerz wahr und so manches Mal überfordern ihn zu viele Geräusche. Nach einem weiteren Vorfall fasst er einen Entschluss: die Landesschule Pforta zu verlassen, bevor er gebeten wird zu gehen. In Erfurt angekommen, erfährt er von John Dee, der auf der Suche nach der Sprache der Schöpfung ist, mit der Gott die Welt erschaffen haben soll.

Das, was er mit all seinen Quadranten, seiner Mathematik und seinen alchemistischen Versuchen nicht erfassen kann, möchte er durch die Sprache Gottes und der Engel begreifen. Er möchte eine Abkürzung auf dem Weg zur Erkenntnis finden, jetzt, wo er alt wird.

S. 64

Der Plan ist, mit dieser Sprache alle Menschen unterschiedlichen Glaubens zu einen. Zur gleichen Zeit ist Margarète Labé, Übersetzerin und Spionin der Katholischen Liga, in der von den Calvinisten besetzten französischen Provinz Béarn. Sie erhält den Auftrag, von Jacobs Fähigkeiten zu profitieren. So beginnt eine Reise durch Europa – auf der Suche nach dem Buch Soyga, dem vermeintlichen Schlüssel zur Sprache des Lichts.

Die Themen

Offenkundig wird der Konflikt der Konfessionen thematisiert, die Religionskriege und deren Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben. Ein anderes offenkundiges Thema deutet sich bereits im Titel an: die Sprache – ihre Schönheit, ihre Vielfalt, ihr Wesen werden thematisiert; Sprache als Mittel der Kommunikation, und die Macht, die sie hat. Damit zusammen hängt der Begriff der Performativität. Performativ bezeichnet eine „Sprachhandlung“, also eine Handlung, die durch das Sprechen selbst geschieht, etwa bei Äußerungen wie „ich taufe dich“, „hiermit eröffne ich…“. Oder in der Bibel, wenn Gott durch Worte („Und Gott sprach: Es werde Licht“ Und es ward Licht.“) ganze Welten entstehen lässt, was die Anziehungskraft der Sprache des Lichts verdeutlicht.

Da wären wir auch schon bei einem anderen wichtigen Aspekt: Bei dem historischen Roman handelt es sich allein wegen seines Genres um ein metafiktionales Werk. Aber auch diverse intertextuelle Bezüge sind Hinweise auf die Metafiktionalität des Buchs. Offensichtliche Bezüge sind die Bibel und Das Dekameron von Giovanni Boccaccio aus dem 14. Jahrhundert, wie die Autorin in den Anmerkungen zum historischen Hintergrund erklärt. Darin geht sie auch auf ein weiteres Thema des Buchs ein, die Veränderung der Stellung von Frauen in der Geschichte: „Noch bis in die Zeit der Romanhandlung hinein war Frauenberufstätigkeit weitverbreitet“, erklärt Katharina Kramer. „Frauen arbeiteten in zahlreichen Berufen – ein Erbe des Mittelalters, als Frauen noch sehr viel mehr Rechte besaßen.“ (S. 469) Sie weist auch darauf hin, dass im 16. Jahrhundert aber auch „die Degradierung und Verdrängung der Frauen“ (S. 470) begann.

Der Schreibstil

Die Sprache des Lichts wird von einem auktorialen, einem allwissenden, außenstehenden Erzähler erzählt. Das Buch teilt sich in zwei Handlungsstränge auf, die aufeinandertreffen. Neben einer Personenübersicht verfügt der Roman über ein Glossar, die bereits erwähnten Ausführungen zum historischen und faktischen Hintergrund des Romans und einer Auswahlbibliografie. Aufgeteilt in 42 nicht allzu lange Kapitel, bietet Die Sprache des Lichts vor jedem Kapitel eine kurze Zusammenfassung, was ich als recht ungewöhnlich empfunden habe.

Aufgefallen ist mir auch der Schreibstil, denn für meinen Geschmack hätte er flüssiger sein können – neben sehr kurzen, teilweise zwei-Wort-Sätzen stehen teilweise recht lange, ausschweifende Sätze. Schön fand ich die Bildlichkeit des Schreibstils, und auch wenn mir an der einen oder anderen Stelle mehr Beschreibungen der Umgebung gefallen hätten, hatte ich das Geschehen bildlich vor Augen. Auch bei diesem Buch könnte ich mir eine Verfilmung sehr gut vorstellen. Insgesamt ist dem Buch eine ausgiebige und detaillierte Recherche herauszulesen. Für mich war es besonders spannend, vom Buch Soyga zu erfahren, mit dem ich mich sicherlich mehr befassen werde.

Ich würde es nicht unbedingt leichte Lektüre nennen, aber für Fans von Action, Reisen durch europäische Städte, Geschichte und, natürlich, Sprachen ist Die Sprache des Lichts genau das richtige Buch!

Die Leseprobe

gibt es hier 🔗 Leseprobe Die Sprache des Lichts

Die Autorin
© Thomas Morgner

Katharina Kramer hat Englisch, Französisch, Journalistik und Pädagogik in Hamburg, Durham/England und Paris studiert. Nachdem sie als Übersetzerin, Lehrerin und Journalistin mit den Schwerpunkten Wissenschaft und Kulturgeschichte gearbeitet hat, ist sie mit ihrem Debüt Die Sprache des Lichts unter die Autor:innen gegangen. Kramer lebt in Hamburg.